Citroén DS

Autos sind anders

Bild

Akt I

Es gibt Autos, die sind anders als die anderen. Man träumt von Ihnen, weil sie nicht alltäglich sind. Sie werden es auch nie sein, da sie schon zu Lebzeiten mit einem Zwinkern im Gesicht den gewohnten Konventionen den Rücken kehrten. Ihre Entwickler hatten offenbar noch nie vorher ein Auto konstruiert, so das völlig annehmbare Installationen plötzlich befremdlich wirkten – zumindest für jemanden der sich schon einmal ein gewöhnliches Auto aus der Nähe betrachtet hatte. Ganz besonders „besonders“ und einmalig in jeder Hinsicht dürfte – natürlich – die DS sein. Sie kam 1955 auf einen Markt, in dem Mercedes gerade die Pontonform entdeckt hatte, und wirkte bei ihrem Abschied 1975 zwar ein wenig in die Jahre gekommen, aber kein bisschen alt oder gar überholt. Ganz im Gegenteil, noch Heute zehren aktuelle Modelle vom Wesen der DS, und huldigen so einem Konzept das im Grunde nie aus der Mode gekommen ist. Und obwohl man auch bei Citroen in Paris nur mit Wasser kocht, so sind doch die Zutaten entscheidend, und die hat André Citroén definitiv nicht im Supermarkt der Automobilbauindustrie gesucht. Und so vermag die DS auch Heute noch alles und jeden in ihren Bann zu ziehen, so man denn gewillt ist, ein Automobiles Abenteuer fernab der Grand Rue der konservativen Standardmotorisierung zu erleben. Steht man dem offen gegenüber, so schafft es die DS auch nach langer Zeit noch Dich mit Dingen zu konfrontieren, die man so zwar nicht erwartet hätte, für dieses Auto aber für völlig normal und selbstverständlich hält.

Bild

Gut wenn man bei der Vergötterung eines in Blech gepressten Denkmals nicht allein da steht.
Ich hab meinen Vater im Boot. Auch er erlag schon früh der DS. Und so manifestierte sich nach und nach der Wunsch nach einem eigenen Heiligenschrein auf vier Rädern. Marktbeobachtungen wurden natürlich schon lange angestellt. Treffen besucht. Literatur verschlungen. Mit der Zeit wurde die Recherche nach einem geeigneten Modell für uns immer konkreter, und der bevorstehende gemeinsame Frankreichurlaub ebnete den Weg für die intensive Suche. Mit den lapidaren Worten „Wenn wir in Frankreich sind schauen wir aber mal nach einer schönen DS“ verkündeten wir unser Vorhaben, und bekamen durch die Antwort unserer Frauen sogleich grünes Licht ... „jetzt meinen die Männer es Ernst“ reichte uns völlig als Bestätigung.

Bild

Bild

Zugeschlagen haben wir dann aber leider nicht in Frankreich, sondern bei einer in Holland offerierten Dsuper mit manuellem 5-Gang Schaltgetriebe.

Bild

Akt 2

Da unsere Suche in Frankreich zwar die ein oder andere DS hervorgebracht hat, diese aber nicht unseren Vorstellungen entsprachen, ging die Suche weiter.

Zugeschlagen haben wir dann bei einer in Holland offerierten DSuper mit manuellem 5-Gang Schaltgetriebe. Zwar nicht gerade die Haute Couture aus der DS Kollektion, aber der Faszination kaum abträglich, präsentierte sich Madamme in offenbar ordentlicher Kondition. Der liebenswerte Verkäufer schickte ein paar Bilder, auf denen eine verschlafene elfenbeinfarbene DS mit schwarzem Dach zu sehen war – sie schien geradezu auf uns zu warten.

Und so kamen wir. Der Zustand war akzeptabel, sie fuhr wunderbar. Karosse, Chassis und Interiour, präsentierten sich zwar leicht handlungsbedürftig, wenn man aber nun als begeisterter Fan in dem Objekt seiner langjährigen Begierde durch die Gegend schwebt, dann verliert so etwas nur all zu leicht an Priorität. Kauf und Abholung gestalteten sich leider etwas schwierig. Insgesamt waren wir drei mal in Amsterdam, bevor wir unser Schätzchen endlich nach Haus bringen konnten.

Die überschwängliche Freude währte genau 10 Autobahnkilometer, ab dann begann die Kupplung zu rutschen. Und nun ? Die DS wieder zurück bringen ? Unsere DS in Amsterdam allein lassen ? Merde non ! Mit viel Gefühl und bangen sind wir zu Haus angekommen. Reichlich bedient ob der defekten Kupplung, aber dennoch voller Freude über das schöne Auto und die ansonsten fantastische Fahrt.

Bild

Bild

Bild

Zu Haus angekommen wurde Madamme zunächst mal unters hübsche Kleidchen geschaut. Möglicherweise könnte man die Kupplung ja einstellen. Einzustellen gibt’s an der Kupplungsbetätigungsmechanik zwar eine Menge – und selbst diese Mechanik verdient die spezielle Erwähnung : Natürlich könnte man den Kupplungshebel mittels Bowdenzug mit dem Kupplungspedal verbinden … wenn man denn ein normales Auto hätte bauen wollen. Bei der DS mutiert selbst solch eine profane Angelegenheit zur Ingenieursleistung. Hier betätigt das Pedal, dessen Totpunkt man einstellen kann, über einen Bowdenzug den man einstellen kann, einen Hebel auf der Getriebeglocke, dieser Hebel wiederum drückt mit einem einstellbaren Pin auf den Hebel welcher aus der Kupplungsglocke ragt – gebracht haben all die Bemühungen aber nichts. Es blieb dabei : die Kupplungs rutsch, fahren nicht möglich. Zaghafte Anfragen bei den bekannten DS-Werkstätten ergaben, das ein Reparaturauftrag uns in den Ruin getrieben hätte.

Bild

Bild

Akt 3

Nun galt es also Teile zu bestellen und den Tips der zum Glück sehr hilfsbereiten DS-Gemeinschaft zu lauschen. Langsam wurde mir klar was hier auf mich zu kam. Um das Getriebe zu demontieren, muß der gesammte Vorderwagen zerlegt werden. Wer einmal das Glück hatte sich den Motorraum einer DS zu beschauen, wird meine anfänglichen Zweifel über das Gelingen dieses Unterfangens vielleicht teilen können. Demontiert man die Kotflügel, was zu den bekanntermaßen leichten Aufgaben gehört, da diese mit nur zwei Schrauben angeschraubt sind, hat man den Maschinenraum komplett vor Augen. Vom Getriebe hat man allerdings weit und breit nichts gesehen. Es versteckt sich schüchtern unter Hydrauliklenkung, Kühler, Luftleitblechen, Ersatzrad, Scheinwerferverstellung und diversen Zügen, Hebeln und Leitungen. Doch Moment mal : Scheinwerferverstellung ? Das die Fernscheinwerfer dem Lenkeinschlag folgen ist klar. Staunend habe ich festgestellt das sogar ein Höhenausgleich statt findet. Die Achse auf denen Haupt- und Fernscheinwerfer montiert sind, ist mittels eines Drahtseils mit der Hinterachse verbunden. Nun könnte man sich fragen welchen Sinn eine Leuchtweitenregulierung bei einem Fahrzeug mit permanentem Niveauausgleich macht. Nun, federt der Wagen hinten ein, würde in diesem Moment das Licht „abheben“. Nicht so bei der DS.

Bild

Bild

Das demontieren der Komponenten bereitete keine großen Schwierigkeiten, und ich fand mich schnell in der Schlangengrube zurecht. Jedes einzelne Aggregat ist durchaus nachvollziehbar konzipiert und angeordnet. Mir ist kein einziges Teil begegnet das mir kompliziert oder unsinnig erschien. Jedes Teil für sich macht Sinn. Kompliziert ist eigentlich nur das große Ganze. Hat man davor keine Angst, so kann man sich getrost an die Göttin herran wagen. Und das tat ich nun.

Bild

Bild

Ich habe einfach so lange abgeklemmt, abgeschraubt und dokumentiert bis der Werkstattboden vor lauter Teilen nicht mehr zu sehen war, und das Getriebe mittels Galgen aus seiner Wiege gehoben werden konnte.

Bild

Und schon lag der Defekt direkt vor dem Auge des Demonteurs : Abgebrochener Übertragungshebel am Kupplungsaggregat + abgenudelte Mitnehmerscheibe = Kein Vorrankommen mehr.

Madame verteilte sich inzwischen in der ganzen Halle, und jeder der sah was ich grad tat, bezweifelte ernsthaft ob sich aus dieser losen Teilesammlung und den zerlegten Fragmenten der DS jemals wieder ein fahrtüchtiges Auto generieren ließe. Ich selbst sah´s gelassen, und ging nach eingehender Prüfung erstmal einkaufen. DS-Fahrer sind in der glücklichen Lage, dort bestellen zu können wo´s am günstigsten ist, da es einige auf DS speziallisierte Händler gibt. Das Preisniveau ist verträglich, und die Ersatzteilsituation wird dank Nachfertigungsaktionen eher besser denn schlechter.

Da ich mich nun schon mal derat in die Materie vertieft hatte, hab ich natürlich alle möglichen Dinge, an die man jetzt gut herran kam, gleich mit erledigt. So tauschte ich diverse Dichtungen und Schläuche, den jetzt sehr gut zu erreichenden Hauptdruckspeicher, Buchsen vom Schaltgestänge und einige andere Teile. Das abdichten des Verteilertriebes war dann quasi das Sahnehäubchen der extravaganten Forderungen von Madame. Der Verteiler wird von der Nockenwelle antetrieben. Dies geschieht über eine Welle welche in einem Gehäuse zwischen Nockenwelle und Verteiler sitzt. Und in diesem Gehäuse sitzt ein klitzekleiner Simmering an den man nur herankommt wenn man die Welle vorsichtig aus dem Gehäuse herausschlägt. Bei dieser Arbeit angekommen fragte ich mich zwangsläufig, wo ich her gekommen bin, und wo bitteschön es hingehen soll ? Was denn noch alles ? Dann wurde mir schlagartig klar, soeben den Zenith der Reparatur beschritten zu haben. Sicherlich hätte man noch weitere Dinge überarbeiten können, aber das primäre Ziel, eine startklare DS, wäre erreicht wenn jetzt nach dem Zusammenbau alles funktioniert.

Bild

Da uns in der Zwischenzeit eine DS zum ausschlachten über den Weg gelaufen ist, konnten noch einige Dinge optimiert werden. So hab ich den Kühler getauscht, ebenso wie die Hy-Lenkung, deren Manschetten ich vorher erneuerte. Außerdem hab ich mir erlaubt auf das schöne alte gewickelte Lenkrad um zu bauen.

Wie erwartet, stellte der Zusammenbau keine größere Probleme da. Was sich jedoch zuvor als große Hilfe erwies, brachte mich nun ins wanken. Über die richtige Einstellung der Lenkung beim Einbau kann man in den Internetforen derart viel lesen, das es einem geradezu schwindelig wird. Man benötigt offenbar allerlei Spezialwerkzeug um die Lenkung richtig zu positionieren, da sie andernfalls Schaden nehmen kann. Das machte mir Sorgen. Grundlos wie sich herausstellen sollte. Nachdem ich eine ganze Weile so darüber grübelte wie man am besten vorgehen würde, kam mir die Lösung : Einfach mal alles ausblenden was man gelesen hat, die Kerninfo im Hinterkopf behalten, schauen was das Rep.-Handbuch sagt, und dann einfach mal machen. Und siehe da, auch der komplizierte Einbau der Lenkung ist in Wahrheit überhaupt kein Hexenwerk, sondern unter Beachtung von ein paar Spielregeln ein Klacks. Man darf sich halt nicht verrückt mahen lassen, manche Dinge erscheinen komplexer als sie´s eigentlich sind.

Bild

So schritt der Zusammenbau zügig vorran, schon bald ließ sich erkennen was es mal werden könnte wenn es fertig ist. Da ich das Getriebe mit einem Kärcher behandelte und den Motorraum während der Arbeiten von all seinem Ölschlamm befreite, sah es nun auch richtig nett aus unter der Motorhaube. Welch erhabener Moment, nach dieser Reise zum ersten mal am Zündschlüssel zu drehen. Die DS bedankte sich mit wunderbarem Motorlauf, und nachdem die Hy-Pumpe den grünen Lebenssaft in Madames Vehnen pumpte, erhob sie sich majestätisch, und stand wieder auf eigenen Beinen. Die ersten Sekunden stand ich wortlos da und genoss den Anblick – vielleicht waren es auch Minuten.... Nachdem ich eine Weile kritisch abwartete, konnte ich sogar feststellen das der Boden unter Madame trocken blieb. LHM-Hy-Öl, Kühlwasser, Getiebeöl etc. blieb da wo es hingehört – höchste Zeit für eine Probefahrt !

Bild

Und endlich gleitet die DS so über´s Land wie man es von Ihr erwartet : Souverän und komfortabel.
Die Arbeit hat sich wirklich gelohnt, dieses Fahrgefühl lässt sich einfach nicht beschreiben – man muß es erfahren !

Viel besser als das Original tat die getauschte Lenkung Dienst. Butterweich konnte man nun am Volant kurbeln. Nachdem ich den Filter im LHM-Bottich gründlich reinigte, und anstelle des LHM einige Zeit mit einem speziellem Reinigungsöl fuhr, ging alles wie geschmiert.

Leichtes Kopfzerbrechen bereitete mir noch die Einstellung der Zündung. Die Markierungen der Riemenscheibe ließen sich beim besten Willen nicht mit der Grad-Skala in Einklang bringen. Vermutlich war von Anfang an etwas falsch zusammengebaut oder es hat sich beim Zusammenbau etwas verdreht. Aber auch das war kein wirkliches Problem. Mit viel Gefühl ließ sich die Zündung gut zwischen „keine Leistung“ und „Motorklingeln“ einstellen.

Nachdem sie nun wirklich schön fuhr, und auch über längere Etappen sorgenfrei schnurrte, ließen wir ihr nach und nach noch einige Detailverbesserungen angedeihen. So flog die Innenausstattung zu Gunsten der roten, gut erhaltenten, Pallas-Ausstattung aus der Schlacht-DS aus dem Wohnzimmer. In ihrem Elfenbeinfarbenen Kleid, mit schwarzem Dach und roter Innenausstattung stand sie nun wirklich äußerst ansehnlich da. Der Anblick ließ vergessen, das man bei genauerem Hinsehen doch einige Unzulänglichkeiten im Finish der Karosserie ausmachen konnte. Vergeben und vergessen, der Freude tut das wahrhaftig keinerlei Abbruch, wer wird sich schon über ein wenig Patina an der alten Dame beschweren ?

Bild

Bild

Fortan haben wir viele schöne Stunden zusammen verbracht. Bei schönem Wetter übers Land, zum Treffen oder einfach nur zur Eisdiele. Die DS hat sich über eine Ausfahrt immer mindestens genau so wie der Fahrer gefreut.

Leider zeigte sich bei den Reparaturarbeiten aber das der Zustand des Chassis nicht mehr der allerbeste war. Von diversen holländischen Schweißkünstlern wurde hier in der Vergangenheit leider eher verschlimmbessert als langristig instand gesetzt. Und so war klar, das hier in absehbarer Zukunft eine Menge Blecharbeiten auf uns zukommen würden. Diese Tatsache vernachlässigten wir aber zunächst mal lässig, um uns an den Fahrten mit Madame zu erfreuen.

Bild

Arbeiten an Technik und Mechanik gehen mir relativ leicht von der Hand und machen Spaß. Schweißarbeiten sind aber, naja, nicht eben meine Berufung. So führte letztendlich der durchgerostete Auspuff zur Grundsatzfrage : In diese DS investieren und sie erhalten, oder verkaufen und etwas besseres finden ? Leichtgläubig beschlossen wir, sie einfach mal zu inserieren. Schneller als gedacht fand sich ein Käufer, und so endete die wunderbare Zeit mit dieser wunderschönen Göttin abruppter als man es sich gewünscht hatte. Es tat sehr weh sie gehen zu sehen ….

Selbstverständlich begann nun wieder die Zeit der Suche. Ohne DS ist komisch. Das geht nicht.

Natürlich sind wir fündig geworden. Wie und wo lest Ihr irgendwann an ähnlicher Stelle :)

Status : Leider nicht mehr in unserer Garage heimisch

Bild