Alfa Romeo 164 Twin Spark / Romeo mag es zügig



Länger schon fiel mir dieser Wagen auf. Er stand da so vor sich hin, verlassen, abgemeldet, vergessen. Normalerweise interessieren mich solche Autos ja nicht. Aber wer sieht schon gerne einem Alfa Romeo beim Verfall zu. Überhaupt, Alfa Romeo. Das sind doch wahnsinnig sportliche Wagen, und dann dieses auffällig keilförmige Design. Twin Spark also. Zwei Zündkerzen entzünden in ein und dem selbem Brennraum ein und das selbe Gemisch.



Der Zustand; naja. Kratzer, Beulen und Müll im Innenraum priesen den Wagen nicht eben an.



Eines Tages sprach mein Herz, und das Schicksal nahm seinen Lauf. „Was ist denn mit dem ollen Alfa da draußen los ?“. „Der gehört einem unserer Arbeiter, der sitzt da vorne, den Wagen kannst du sofort mitnehmen, Aaaaaalbert, kommst du mal rüber, da will einer deinen Alfa haben.“ Aha. Albert berichtete von vielen problemlosen Kilometern, einem insgesamt ungepflegtem und vernachlässigtem aber zuverlässigen Fahrzeug. Nachdem klar was das die Technik wohl in Ordnung ist, beschloss ich Besitzer dieses Wagens zu werden – warum auch immer, aber die Neugierde hat wohl mal wieder über den Verstand gesiegt.



Tags darauf bekam ich Schlüssel und Papiere, und staunte nicht schlecht über die dort vermerkten Eckdaten. 106KW = 144PS aus zwei Litern Hubraum, und eine Höchstgeschwindigkeit von deutlich über 200km/h laut Brief ließen aufhorchen. Die erste Sitzprobe überzeugte. Top Komfort in wirklich super bequemen Sportsitzen, Sitzposition + Leder-Sportlenkrad gefielen ebenso auf Anhieb.



Offenbar jedoch hatte sich der Wagen schon zu sehr an seine letzte Ruhestätte gewöhnt. Der Motor drehte zwar, machte jedoch keinerlei anstallten anzuspringen. Die Motorhaube vereitelte eine Kontrolle, der Schließmechnissmuß selbiger ließ sich nicht mehr entriegeln. Nachdem ich mit viel Mühe die Haube irgendwann auf bekam, sprang der Wagen plötzlich an als wäre nix gewesen. Da war wohl einfach die Einspritzung vom langen stehen ausgetrocknet. Nun läuft er also, und wie !

Der Weg vor die heimische Garage war nicht lang, eine Überführung auf eigener Achse also obligatorisch, und – ehrlich gesagt – nach den ersten Testrunden auf dem Firmengelände auch die einzig denkbare Möglichkeit. Die Fahrt offenbarte das Augenscheinlich alles wichtige einwandfrei funktioniert. Einzig die nicht erlöschen wollenden Öldruck- und Ölstandanzeigen beunruhigten mich ein wenig.

Zu Hause hab ich den Wagen dann erstmal entmüllt – es ist mir wirklich rätselhaft, wie man mit solch einem Wagen fahren konnte. Zigarettenkippen, Bierdosen ohne Ende und allerhand sonstiger Unrat flogen im Innenraum herum. Nachdem dies erledigt war, hab ich mir die Technik genauer angeschaut, und festgestellt das Öldruck- sowie Ölstandgeber korrekt funktionieren, die Anzeigen aber dennoch immer leuchteten. Da die Schalter gegen Masse schalten, und es somit an einem Kurzschluss irgendwo im Armaturenbrett o.ä. liegen mußte, hab ich mich fortan nicht weiter an den Lämpchen gestört.



Nachdem ich nun den Innenraum gereinigt, den fehlenden Luftfilter ersetzt, den abgebrochenen Außenspiegel wieder befestigt, das gerissene Seil zur Motorhaubenentriegelung repariert, und allerhand sonstige abgebrochenen Teile wie Embleme, Innenraumteile, Blinkergläser etc. wieder angeklebt hatte, stand also ein generell einsatzbereiter, jedoch Optisch nach wie vor in eher grenzwertigem Zustand befindlicher Alfa 164 vor mir.

Und nun ? Was jetzt ? Ebay und tschüss ? Mitnichten ! Dieses Auto musste getestet werden – unbedingt und ausgiebig. Für ein passendes Wochenende hab ich also Kurzzeitkennzeichen für den Wagen besorgt, und war wirklich aufs äußerste gespannt wie sich der Wagen verhalten würde.

Um es kurz zu machen und auf den Punkt zu bringen : Der 164 legt eine derart beeindruckende Fahrkultur an den Tag, das ich Heute noch immer wieder gerne ins schwärmen über das Auto gerate! Das wirklich reichhaltig bestückte Cockpit, die präzise Schaltung, die entspannt sportlichen Sitze – aber das wirkliche Sahnestück sitzt unter der Motorhaube ! Der Motor, ein Aggregat wie es im Buche steht. Der Wagen lässt sich wirklich fahren wie ein Sportwagen. Unglaublich wie die große Limousine sich durch Kurven dirigieren lässt. Der Motor dreht derart lässig und vehement voran, das es einem schwer fällt sich im grünen Bereich der Straßenverkehrsordnung zu bewegen. Schier unglaublich wie man in Autobahnkurven jenseits der 200km/h völlig selbstverständlich zum Überholen ansetzen kann, ohne das der große Wagen auch nur ansatzweise unruhig würde. Das Fahrerlebnis ist verbindlich und direkt, jedoch in keiner Situation unkomfortabel, dezente Tieferlegung und Breitreifen tragen wohl ihren Teil dazu bei. Die Tachonadel übrigens zeigte erst bei etwa 240km/h an, das die Physikalischen Fahrwiderstände des Systems nun erreicht sind. So stelle ich mir Fahrdynamik und Agilität in perfekter Symbiose vor. Ehrlich gesagt kann ich mir kaum vorstellen das der doch deutlich schwerere V6 ( den es im 164 auch gab ) mehr Spaß machen soll.



Nach einem langen Wochenende, an dem wir viele Kilometer mit dem Wagen gefahren sind, fiel es mir schwer ihn wieder vor die Garage zu stellen. Man kann sich gewöhnen an Power, Luxus, Raum und Performance. Nun musste ich aber wieder Daf fahren, und war somit wieder zu Hause angekommen von diesem aufregendem Trip auf der Überholspur.

Alles in allem würde ich sofort und jederzeit so einen Wagen kaufen und fahren. Die Anschaffungspreise sind mehr als attraktiv, und es gibt nicht viel was dagegen sprechen würde. Auf der anderen Seite steht die Frage „braucht man so etwas überhaupt?“ Die Antwortet lautet natürlich Jein, und wenn, dann sollte man sich einen in wirklich gutem Pflegezustand gönnen.

Letztenendes also doch „eBay und tschüss“ - der Verkaufspreis von 150 Euro allerdings versüßte mir nicht gerade den Abschied, und es ist wohl so wie der glückliche Käufer sagte als er lachend die Kennzeichen an den Wagen schraubte just bevor er damit an die Ostsee aufbrach : „Das verstehe ich echt nicht, wieso hast du den Wagen nicht in Teilen vertickt, da hättest du viel mehr bekommen.“



Status : Eine Gran Tourismo Limousine wie man sie sich wünschen kann